Mittwoch, 21. August 2013

In der Allee des Wahnsinns



Unmöglich. - Das wird nie was. - So wie immer. - Nein.
Satire – im Besonderen die politische Satire – ist ein hartes Pflaster. Vor allem in Österreich. Eingekerkert in einer obskuren Szenerie zwischen „Wo woa mei Leistung“ und „der österreichische Bundeskanzler kommt mit keiner Meinung, und geht mit meiner“, benötigt es kaum die subversiv platzierten Werbesujets eines Mobilfunkanbieters, um die österreichische Innenpolitik vorzuführen. In einer Zeit, in der Inhalte überwunden und Parteien gegründet anstatt gewählt werden, wird die Stimmabgabe zum Balanceakt. Doch selten hatte eine österreichische Nationalratswahl eine entscheidendere Bedeutung als 2013, einem Jahr, in dem europaweit die repräsentative Demokratie, wie wir sie pflegen, in Frage gestellt wird und Irrungen wie „Systementscheidung“ die Runde machen. Flanieren wir gemeinsam durch die Allee politischer Versprechungen und wagen einen kritischen Blick auf das zur Verfügung stehende Führungspersonal.

Politische Entwicklungen bei Bier, Speck und gut angesetzten Schnäpsen im Heurigen zu diskutieren ist eine österreichische Tradition. Dass sich in diesem alkoholgeschwängerten Umfeld Argumente und Analysen nicht immer schlüssig nachvollziehen lassen, Kritik überzeichnet und schroff formuliert sowie gerne einmal übers Ziel hinausgeschossen wird, überrascht nicht. Problematisch wird es jedoch, wenn sich auch in intellektuell anregenden Debatten von politinteressierten Kreisen vermehrt Facetten von Stammtischparolen einnisten. Wenn breite Abschätzigkeit gegenüber den politischen Entscheidungsträgern als Kitt im Meinungsaustausch missverstanden wird, haben Sachlichkeit und Argumente einen schweren Stand. Als der französische Literaturnobelpreisträger Anatole France von der „Ironie als letzte Phase der Enttäuschung“ sprach, könnte er ebenso die 25. österreichische Nationalratswahl am 29. September im Kopf gehabt haben. Inhaltliche Debatten werden vom Bundeskanzler im Destillat auf einzelne Wörter – ohne weitere Erklärungen – reduziert und männliche Oppositionspolitiker offerieren mit „Oben-ohne-Fotos“ ihr Verständnis von Transparenz. Indessen finden sich die Grünen in einer parteiinternen Revolte über ihren selbst hochgezogenen „Ausländer-Wahlkampf“ wieder, den man – abgesehen von einigen intellektuellen Spitzen – in dieser breiten Gehässigkeit nicht einmal von Straches Mastermind Herbert Kickl erwartet hätte.
Doch die Herausforderungen und Probleme, denen sich Österreich in den kommenden 5 Jahren zu stellen hat, sind zu drängend, zu entscheidend, um sich in die bequeme Loge der Nörgler und Nichtwähler zurückzuziehen. Es steht – sowohl auf Europäischer Ebene, als auch innerhalb Österreichs – zu viel auf dem Spiel, als dass man sich vom vernunftorientierten Wahlgang verabschieden darf. Ein kleiner, kritischer Überblick über die Spitzenkandidaten, die Wahlkampflinien inklusive Chancen und Risiken, soll einen Beitrag zur Orientierung leisten.

 
SPÖ – Einzelne. Wörter. Mit. Punkten.

Spitzenpolitikern wird von ihren Spin-Doktoren gerne eine Aura der Ehrfurcht, Unfehlbarkeit und Würde zugeschrieben. Am besten funktioniert dies bei österreichischen Bundeskanzlern dann, wenn es durch natürliche Wesenszüge der Person authentisch unterstützt und getragen wird. Als positive Beispiele dienen hier gerne Dr. Kreisky oder Dr. Schüssel. Auch Dr. Gusenbauer, dem seine weltoffene Intellektualität auch von Kritikern nicht abgesprochen wurde, gehört in diese Aufzählung. Wenn er es denn schaffte, sich nicht über „das übliche Gesudere“ der Basis- und Gewerkschaftsfunktionäre zu echauffieren. Wenn diese Punkte jedoch nicht miteinander harmonieren, landet man bei der öffentlichen Wahrnehmung von Dr. Sinowatz.
Als 2008 für den vorzeitigen Nationalratswahlkampf ein neuer SPÖ-Spitzenkandidat aus dem Wiener Hut gezaubert wurde, waren sich die Spin-Doktoren dieser Herausforderung bewusst. Die Aura eines Siegers kann man nur dann konstruieren, wenn sie auf authentische Wesenszüge des Kandidaten aufbaut. Dafür müsse der Wähler Werner Faymann zuerst einmal kennen. Die Kampagne „das-ist-faymann.at“ sollte es richten.
Nun, 5 Jahre später, kann man nicht behaupten, man wisse tatsächlich etwas über unseren Bundeskanzler. Die Vorstellungs-Kampagne ist längst, wie hunderte weitere Inserate, im kollektiven Gedächtnisnirwana verschwunden. Doch charakteristische Wesenszüge, ja etwas, das ansatzweise als Aura eines Bundeskanzlers durchgehen könnte, ist nicht einmal in Grundzügen sichtbar. Ob Faymann Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsstärke, Geduld, Überzeugung oder einen Hang zur Ideologie hat, vermögen selbst politisch versierte Beobachter nicht festzumachen. Man weiß es einfach nicht, trotz 5 Jahren Kanzlerschaft und Inseraten in Millionenhöhe.
Politische Mitbewerber echauffieren sich gerne über die „sieben verlorenen, geheimen Jahre im Lebenslauf“ des Kanzlers. Abstruse Verschwörungstheorien, die von „Taxifahrer“ bis „Aspirant bei den Bilderbergern“ reichen, machten die Runde – letzteres wird nicht mehr verbreitet, da es den Gerüchteküchen selbst nicht gelang, dabei eine ernste Miene zu wahren. Doch diese Diskussion verdeutlicht: Es ist interessanter und ergiebiger, über Faymanns Jahre als Jugendlicher zwischen 1978 und 1985 zu diskutieren, als über seine 5 Jahre als Kanzler. Politische Projekte voller Leidenschaft und Engagement, die man mit Faymann verbinden würde, sind in der öffentlichen Wahrnehmung nicht sichtbar. Eine Wandlung vom „Leserbriefschreiber ans Krone EU-Theater“  zum europäischen Visionär lässt sich ebenso wenig nachvollziehen wie belegen. Es gleicht vielmehr einem Sieg durch Ermattung, der hier am 29. September angestrebt wird.
Die aktuellen Spin-Doktoren, die Agentur Demner, Merlicek & Bergmann, wissen als Profis um diese Schwächen. Ihre aktuelle Werbelinie kaschiert diese nicht, sondern versucht sie offensiv in Stärken zu wandeln. Der Slogan „Mit sicher Hand“ interpretiert vermeintliche Tatenlosigkeit als wohltuende Unaufgeregtheit und suggeriert staatsmännisches Handeln, fernab von kurzfristigen Parteiinteressen. Anleihen am erfolgreichen Schröder-Wahlkampf bei der deutschen Bundestagswahl 2002 („Politik der ruhigen Hand“) werden bewusst in Kauf genommen.
Umfassende inhaltliche Debatten sind für einen Wahlkampf nicht geeignet. Der Purismus bei den Themenplakaten „Arbeit.“, „Pensionen.“, „Bildung.“ eröffnet jedoch eine neue Kategorie. Einzelne Wörter mit Punkten, ohne zusätzliche Erklärung, als Themenpflöcke einzuschlagen, mutet als Affront gegen die SPÖ-Intellektuelle an. Entweder erblicken wir hier die Zukunft des Wahlkampfes, in dem bereits einzelne Wörter zur Projektion der eigenen Meinung ausreichen. Oder wir stehen vor einem surrealen „Dada-Experiment“, das uns treffsicher vor Augen führt, dass Inhalte tatsächlich überwunden werden müssen.

 
ÖVP – Das Prinzip Hoffnung.

Bisher ist es in Österreich noch keinem Vizekanzler bei einer Nationalratswahl gelungen, den amtierenden Kanzler stimmenmäßig zu überholen. Warum das Unfassbare diesmal Dr. Spindelegger als Spitzenkandidat der ÖVP gelingen sollte, können wohl nur eingefleischte Team-Mitglieder der schwarzen Wahlkampfmannschaft mit ernster Miene beantworten. Doch die Chancen, dass die ÖVP mit Michael Spindelegger tatsächlich den nächsten Kanzler stellt, sind besser als manche Meinungsumfragen vermuten lassen.
Werbetechnisch wurde mit der Agentur Butter Know-How aus Deutschland zugekauft. Eine Agentur mit erfolgreicher SPD-Wahlkampferfahrung für Gerhard Schröder und einem SPD-Parteimitglied als Geschäftsführer. Die Strategie, einen bekennenden „Linken“ in die Wahlplanung einzubeziehen, ist nicht risikofrei, jedoch bewusst gewählt. Kritische Beobachter monieren, man orientiere sich mit der aktuellen Werbelinie am ‚erfolgreichen‘ Nationalratswahlkampf 2008. Habe man keinen Spitzenkandidaten, den man plakatieren möchte, so plakatiere man eben Landschaft. Diese Analyse spiegelt bei näherer Betrachtung jedoch nur die halbe Wahrheit wieder.
Ein direkter Vergleich der Umfrageergebnisse zwischen CDU/CSU – rund 40 Prozent – und der ÖVP ist zwar aus mehreren Gründen unzulässig. Er legt jedoch den Blick auf etwas Wesentliches frei: Den Volkspartei-Charakter. Die Union unter der deutschen Bundeskanzlerin Merkel wurde in den Augen konservativer Kreise zu einem Kanzlerwahlverein degradiert. Im Rückzugsgefecht von konservativen Positionen, die bis vor kurzem als unantastbar galten, hat die Merkel-CDU mit jener der späten Kohl-Jahre kaum etwas gemein. Vom Namen abgesehen. Mindestlohn, Energiewende, Betreuung, Bildung, Steuerlast – um nur einige Punkte zu nennen. Durch diese Wendungen hat die Union aber als einzig verbliebene Volkspartei überlebt.
Michael Spindelegger hat diese Entwicklung nicht nur strategisch erfasst, sondern offensichtlich auch verstanden. Hier kommt Butter-Geschäftsführer Frank Strauss ins Spiel. „Österreich gehört den Tatkräftigen.“ – „Österreich gehört den Weltoffenen.“ – „Österreich gehört den Optimisten.“  Es wird hier erstmals in der jüngeren ÖVP Wahlkampagne eine nicht homogene Zielgruppe adressiert. Eine Gesamtheit, die nicht ideologisch, nach Beruf oder Alter geteilt ist. Tatkräftige finden sich unter Dachdeckern ebenso wie unter Juristen. Weltoffenheit spricht Cartellbrüder ebenso an wie Studentinnen, die mit Interrail-Tickets Europa erkunden. Im Optimismus vereinen sich – im Zusammenspiel mit einer durchwegs mutigen Bundesliste – neue konservative Strömungen mit jenen, die sich nie als konservativ bezeichnen würden.
Offensichtlich ist dem ÖVP-Parteiobmann bewusst, dass eine Modernisierung der ÖVP-Positionen in wenigen Monaten nicht machbar ist. Wenn sie aufgrund der Bünde-Struktur überhaupt machbar ist. Anstatt sich im Debattendschungel zu verirren spielt Spindelegger jene Karten, die er selbst in der Hand hält: Eine moderne Besetzung der Bundesliste. Hätte man vor einigen Jahren eine Bundesliste in den Händen gehalten, die einen 27jährigen Integrationsstaatssekretär auf Platz 3 und einen 26jährigen praktizierenden Muslim auf Platz 5 vorsieht: Es wäre diese mit Sicherheit keine der Österreichischen Volkspartei. Die Tatsache, dass diese jedoch der aktuelle Bundeslistenwahlvorschlag der ÖVP für die Nationalratswahl 2013 ist, darf als einer der Trümpfe von Spindelegger angesehen werden. Wenn die konstruierte Aura eines Spitzenkandidaten mit den persönlichen Wesenszügen authentisch übereinstimmt – wie hier mit „Weltoffenheit“ und „Tatkraft“ – ist dies ein beträchtlicher Vorsprung im Kanzlerduell. Sollten die „unguided missiles“ in der ÖVP-Ministerriege bis zum 29. September ihre christlich-sozialen Werte-Koordinaten unter Kontrolle bringen, ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen nicht ausgeschlossen. 


FPÖ – Alter Wein in porösen Schläuchen.

Wäre nicht die Jahreszahl auf den Sujets der Freiheitlichen vermerkt, es würde selbst gewieften Beobachtern der politischen Szenerie schwer fallen, sie den einzelnen Wahlgängen zuzuordnen. Strategisch verlässt sich Heinz-Christian Strache, der blaue Frontmann für alle Wahlplakate, wie bisher auf seinen Spin-Doctor Herbert Kickl. Die Themen gleichen – wenn auch subversiver als in der Vergangenheit – der gewohnten Melange aus „Überfremdung“, „EU-Wahnsinn“ und „Misswirtschaft der Regierung“. Zusammengefasst unter der Klammer „Nächstenliebe für Österreicher“ wirkt das Setting wie aus der Zeit gefallen. Erster Überdruss – bestärkt durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und Verurteilungen im Nahbereich der Partei – am ewigen Spitzenkandidaten wird sichtbar.
Strategisch läuft bei den Freiheitlichen vieles unrund. Mit der Eingliederung der „Freiheitlichen in Kärnten“ – trotz jüngstem Wahldebakel nun zweitstärkste FPÖ-Landesgruppe – wurden jene Probleme ins Haus geholt, denen Strache den Kampf ansagen wollte. Die Revolte der Bundes-FPÖ gegen Barbara Rosenkranz, die zu einer Konter-Revolution eskalierte und nur mit Mühe im zweiten Anlauf von Strache gewonnen werden konnte, hat ihr übriges zum aktuellen Image beigetragen. Das Keifen um Aufmerksamkeit, indem man „Nächstenliebe, die Österreicher ein- und alle anderen ausschließt“ plakatiert, ist sichtlich wenig geeignet, sich gegen die neuen (Protest)Parteien zu behaupten.

 
BZÖ – Der Letzte macht das Licht aus.

Josef Bucher hat ein Kommunikationsprinzip verinnerlicht: „Stay on message.“ Als Botschaft wurde bereits 2011 der Slogan „genug gezahlt“ auserkoren. Die Idee schien schlüssig: Als Partei der vermeintlich Beraubten zieht man sowohl gegen die EU, als auch gegen Bürokratie und Misswirtschaft im Allgemeinen zu Felde. Fatal wird es für einen Spitzenpolitiker, wenn ihn keine Aura der Erhabenheit, sondern der Lächerlichkeit umgibt. Mit „genug gezahlt“ ist diese Lächerlichkeit durch aktuelle Entwicklungen eingetreten. Der personelle Aderlass Richtung Stronach, die Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria, der Telekom-Prozess – von allen Seiten wurde der BZÖ-Slogan „genug gezahlt“ ins Negativ verkehrt.
Mit der von Bucher im Alleingang gestalteten Bundesliste, die sowohl zugkräftige Überraschungskandidaten als auch altbekannte, polarisierende Gesichter wie Stefan Petzner vermissen lässt, dürfte die Sache gelaufen sein. Es liegt an Josef Bucher, das Licht im orangen Parteilokal abzuschalten und hinter sich die Tür zu schließen.


Grüne – Der Feind im Inneren.

Martin Radjaby, ehemaliger Leiter der Ö3-Programmgestaltung, hatte sich seinen neuen Job als Kommunikations-Chef der Grünen sicher einfacher vorgestellt. Mit ungewohnt provozierenden Sujets hat sich die innerparteiliche Krise in der heißen Wahlkampfphase verstärkt. Die Uneinigkeit im wesentlichen Kompetenzfeld der Grünen – Integration und Zuwanderung – kommt zur strategischen Unzeit. Dabei schien die Parteikrise, die der oberösterreichische Bundesrat Efgani Dönmez mit seinem Wunsch, Erdogan Sympathisanten in die Türkei abzuschieben, auslöste gerade überwunden.


Team Stronach – Der Besuch des alten Herren.

Friedrich Dürrenmatt hätte seine helle Freude an der Steppvisite des österreichisch-kanadischen Milliardärs. Was Frank Stronach antreibt, sich mit einer angeworbenen Söldnertruppe in der österreichischen Innenpolitik zu engagieren, lässt sich wohl nur tiefenpsychologisch beantworten. Inhalte werden in der Partei gerne überwunden oder, wenn es unbedingt sein muss, an einen Weisenrat delegiert. 100.000 Euro winken jenem Ideengeber, der Stronach den besten Vorschlag offeriert, was er denn als Bundeskanzler eigentlich machen soll. Unkonventionelle Auftritte – gerne auch oben ohne mit sonnengebräunter Brust – zeigen: Die Kunst des Zuhörens oder der Empathie zählen offensichtlich nicht zu den Stärken des Spitzenkandidaten.


Neos – Mit der Kraft der Esoterik.

Unzufriedene Persönlichkeiten aus dem ÖVP-Nahbereich, die sich mit eigenen Parteien selbstständig machen, sind keine Seltenheit. Dass eine dieser Parteien eine Wahlkooperation mit den Überresten des Liberalen Forums eingeht und bundesweit kandidiert hingegen schon. Matthias Strolz, Spitzenkandidat und Gründer der Neos, sieht Politik als „spirituelles Unterfangen“, für das er sich „nach 5 Tagen und 5 Nächte im Wiener Wald“ gerüstet habe. Prominentester Mitkandidat ist zweifellos Niko Alm, der sich mit seinem Volksbegehren „Initiative gegen Kirchenprivilegien“ kürzlich in der Öffentlichkeit exponierte. Finanziell unterstützt von Hans Peter Haselsteiner wird den „Neos“ von allen Kleinparteien die größte Chance zugeschrieben.


Am Ende der Allee

Am 29. September 2013 demokratisch mitzuentscheiden ist der wesentlichste Beitrag, den man als Staatsbürger in diesem Jahr leisten kann. Nicht aus falsch verstandenem Zwang oder politischer Frustration. Sondern weil man eine klare, persönliche Mitverantwortung trägt, durch welche vermeintliche Allee des Wahnsinns wir die kommenden 5 Jahre gemeinsam flanieren.

1 Kommentar:

  1. Liebe Christopher,

    wie versprochen, hier mein Feedback auf deinen Artikel. Ich kann den Großteil davon gut nachvollziehen, halte aber die Interpretation des ÖVP-Wahlkampfs viel zu sehr von Wunschdenken getragen. Das Problem der ÖVP-Kampagne ist, dass die ÖVP dabei als Absender entweder kaum erkennbar ist oder ein sehr diffuses Bild abgibt. Sie scheint voll auf ein (in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommenes) Kanzlerduell ausgerichtet zu sein, setzt überhaupt keine Themen und macht es damit den Menschen außerhalb der ÖVP sehr schwer zu erkennen, für welches gesellschaftliche Zukunftsprojekt diese Partei steht – Liste hin oder her. Zugegeben, Ansagen wie "Wohnen.", "Pensionen." "Arbeit." sagen auch noch nicht viel aus, aber trotzdem vermitteln die Kampagnen der SPÖ, der Grünen und auch der FPÖ (zumindest in Ansätzen) eine Vorstellung davon, was die wollen (könnten) – unabhängig davon, ob man das jetzt gut findet oder schlecht. Außerdem kann man z. B. die Plakate der Grünen, der SPÖ wie auch die der FPÖ bereits ihrem Absender zuordnen, bevor man den Text gelesen oder das Logo erkannt hat. Bei den ÖVP-Sujets ist das meines Erachtens nicht der Fall und damit verstossen sie handwerklich gegen eines der wichtigsten Prinzipien der Kommunikation – ohne Linie kein einheitliches Erscheinungsbild, ohne einheitlichen Auftritt kein stabiles Bild in der Öffentlichkeit, ohne stabiles Bild weniger Vertrauenswürdigkeit, so einfach ist das. Der Grünen Kampagne solltest du wiederum einen zweiten Blick widmen, da ich der Auffassung bin, dass Martin Radjaby seinen Job verdammt gut macht und alle Parteien davon etwas lernen können. Meines Erachtens ist das handwerklich bislang die rundeste Kampagne in diesem Wahljahr und ich bin überzeugt davon, dass sich das auch im Wahlergebnis widerspiegeln wird.

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