Samstag, 24. Januar 2015

5 Minuten Rezension: "Die Unterwerfung" von Michel Houellebecq

Was sich anschickte, ein großer Roman über den fortschreitenden Niedergang unser säkularisierten Gesellschaft zu werden, entpuppt sich als - großteils zusammenhangloser - Softporno: Alternde, fünfzigjährige Eliten ohne moralischem und religiösem Kompass, die nach fünfzehnjährigen Mädchen in 'tief sitzenden Jeans' gieren. Das ist schade. Unsere Zeit hätte einen großen Roman bitter nötig gehabt.


Ja, die "Unterwerfung" hat eine politische - meinetwegen auch gesellschaftspolitische - Aussage: "Der Islam bedroht unsere säkularisierte Gesellschaft und wenn wir nicht aufpassen übernehmen die Muslime die Macht und führen die Scharia ein."

Diese Aussage kann man teilen oder nicht. Persönlich tendiere ich auch eher dazu, zumindest den Kern dieser Ängste ernst nehmen zu wollen. Diese Warnungen sind aber kein Solo-Konzert, das jetzt per se besondere Aufmerksamkeit verdienen würde. Diesen Song spielt es im Orchester seit mindestens 10 Jahren landauf, landab.

Ich frage mich: Gelingt es dem Autor, hier literarische Feinheiten herauszuarbeiten? Seziert der Autor hier am offenen Herzen einer irrenden Gesellschaft, die nach Halt und Führung giert? Oder delektiert er sich nur an der Hysterie, die seit mindestens 2001 in der Luft liegt?

Die zweite Hälfte des Buches lässt sich imho in folgender Aussage zusammenfassen: "Den männlichen Intellektuellen ist die eigene Unterwerfung unter einen Gott - wer immer das auch sein mag, man konvertiert ja gerne - durchwegs angenehm. Noch angenehmer ist für diese Intellektuellen die Unterwerfung der Frau. Da sie alt und keinen athletischen Körperbau besitzen spielt ihnen die weibliche Unterwerfung in die Hände. Islamische Heiratsvermittlerinnen versorgen die fünfzigjährige Elite mit fünfzehnjährigen Mädchen in 'tief sitzenden Jeans' und verschachern sie - mit einem Querverweis auf den Erfolg von "50 Shades of Grey", der den offensichtlichen Wunsch der SM-Unterwerfung validieren soll - in die Leibeigenschaft."

Ist man im Kopfkino auf der Suche nach derartigen Softpornos - mit Hauptdarstellern im fragwürdigen Alter - dürfte man bei den einschlägigen Veröffentlichen einer politischen Bewegung in den 1980er Jahren besser aufgehoben sein. Für eine ernst zu nehmende Literatur und eine ernst zu nehmende literarische Auseinandersetzung mit dem Thema ist mir das aber zu wenig. Jeder Leserin und jedem Leser, der sich und seine qualitativen Ansprüche selbst ernst nimmt, sollte schade um die 4 Stunden sein, die das Lesen dieses Buches verschlingt.

Mir ist jedenfalls schade um diese Zeit.