Eine Replik auf die
Hymnen-Debatte rund um Andreas Gabalier, Gabriele Heinisch-Hosek sowie dem
offenen Brief der Grünen Frauen Wien. Was davon zu halten ist und warum tatsächlich
Noam Chomsky als Regisseur in der Debatte die Fäden in der Hand hält.
Die insgesamt rund hunderttausend Wortmeldungen sprechen für
sich. Sie sprechen von einer Gesellschaft voller Wut, durch Lethargie als Kitt
mühevoll zusammengehalten. Die Reaktionen sollten keinen politischen Beobachter
überraschen.
Nein, die Heftigkeit der Debatte bricht sich nicht an den „Töchtern“.
Es ist auch kein Wirbelsturm der Empörung, in dessen Auge die Hymne thront. Im
Gegenteil: Es sind die Österreicherinnen und Österreicher, die sich im Auge des
Wirbelsturms befinden und hier eine Gelegenheit vorfinden, eine innere Wut
raus zu schreien, während sich alles um sie herum dreht und davongefegt wird.
Ob die Hypo-Alpe-Adria nun 10 oder 20 Milliarden kostet, Steuergelder
versickern, eine Vermögenssteuer die Erlösung bringt oder man die Neutralität
verramschen und die Luftraumhoheit über Österreich aus Kostengründen aufgeben
sollte: Wer weiß das schon? Wer kann bei all diesen Themen, die einen aufregen
sollten, schon mitdiskutieren und etwas mit Gewissheit sagen? Es bräuchte
fachliche Kompetenz. Wirtschaftspolitisch. Militärisch. Kompetenzen, die man als
überforderter Bürger nicht aufbringen kann. Was bleibt, ist Lethargie.
Eine Lethargie, in der uns von allen Seiten eingeredet wird,
dass die Welt die wir vorfinden härter, rauer und herausfordernder ist als alle
Welten davor. Euro-Krise, Bildungskrise, Bankenkrise, Steuerkrise,
Burgtheaterkrise, Arbeitsplatzkrise, Ukraine-Krise, Korruptionskrise, Pensionskrise,
Budgetlochkrise. Und gelten doch als eines der reichsten Länder Europas, als
eines der reichsten Länder der Erde. Mit Diskriminierung von allen und jedem an
allen Ecken und Enden.
Was ist da befreiender, als endlich ein Thema serviert zu
bekommen, das so simpel und einfach wirkt, wie beliebiger Gossip in einer
Telenovela? Ein Thema, das keine Kompetenz verlangt. Bei dem ausschließlich
Meinung zählt. Persönlich. Egal, wie abwegig und abstrus sie ausgestaltet ist.
Was wir erleben ist eine Pervertierung direkter Demokratie
in Reinform. Endlich kann man es den Volksvertretern reinschreien, die doch nur
Schwachsinn beschließen würden. Unter dem Visier von allerlei Pseudonymen oder
mit gestärkter Brust unter dem Namensbanner: Man sieht sich als
rechtschaffener, edler Ritter im großen Lanzenturnier. Für nichts weniger, als
für die Verteidigung einer Hymne die eine Welt symbolisieren soll, die wohl nur
in den verklärten Gedanken jemals existieren durfte, reitet man aus. Eine
unkomplizierte Welt, in der Gut und Böse noch leicht voneinander zu trennen schien. Die
Vision einer Welt, in der man noch einigermaßen zu verstehen glaubte, was rund
um einen herum tatsächlich passiert. In der man sich nicht vom technischen
Fortschritt überwacht fühlte, sich nicht als Heterosexueller als ominöser „CIS-Mann“
für seine Orientierung vor dem Feminismus rechtfertigen musste und man Aufstieg
statt Abstieg erwartete.
Dem politischen Betrieb kommt die Hymnen-Debatte sichtlich
nicht ungelegen. Abgesehen von der direkt betroffenen Minderheit unter den
Politikern, denen eine Wortklauberei tatsächlich ein innerstes Anliegen ist,
als ginge es darum, den heiligen Gral bei einem Kreuzzug zu erbeuten.
Noam Chomsky hatte Recht: „You need something to frighten
people with, to prevent them from paying attention to what’s really happening to them.“